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发布时间:2020-05-15 03:42:15

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作者:Stinde, Julius

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H?tel Buchholz

H?tel Buchholz试读:

Große Erwartungen.

Ich ging lange mit mir zu Rath. Sollte ich oder sollte ich nicht? Aber es war zu verlockend, der Antrag, für die offiziellen Ausstellungsnachrichten auf mittlere Familien berechnete Berichte aus meiner Feder abzulassen über das große Unternehmen im Osten Berlins, die Gewerbeausstellung. Endlich, um sicher zu gehen, überlegte ich dies Anerbieten mit meinem Mann, der ging auch nun längere Weile mit sich zu Rath und sagte:

»Wilhelmine, ich fürchte, die Arbeit wird zu anstrengend für Dich, Du mußt doch Studien machen, und wenn's regnet...«

»Dann gehe ich in die Baulichkeiten. Karl, es ist ja eine ganze Stadt im Treptower Park entstanden, so daß die Ausstellung in Inneres und Aeußeres, sowie in Altes, Neuestes und Fremdländisches zerfällt. Und daran hängend der Vergnügungstheil und zwischendurch Erfrischungsanstalten. Wo ist da Arbeit?«

»Das Betrachten und genaue Ansehen greift an.«

»In einem weg besehen, darin gebe ich Dir Beifall. — Aber es ist von einer wissenschaftlichen Commission genau abgezirkelt, wohin immer Getränkunternehmen zu legen waren, den Nerven Beruhigungspunkte zu bieten, und die sind auf den Zentimeter genau von beeidigten Landmessern ausgerechnet.«

»Wer hat Dir das erzählt, Wilhelmine?«

»Karl, nichts beleidigt mehr als unangebrachter Unglaube. Wenn die Krausen Dir etwas beschwört, ist es allerdings Deine Pflicht, mit dem Gegentheil zu dividiren, und was dann herauskommt, damit sei auch noch vorsichtig, es weiter zu verbreiten. Uebrigens brauchst Du ja nur hinauszugehen und nachzumessen.«

»Wilhelmine, ich bitte Dich, schreibe nicht,« bat mein Karl mit Nachdruck. »Wenn Du treuherzig bringst, was Hinz und Kunz Dir aufbinden, fällst Du mit Glanz hinein.«

»Karl,« entgegnete ich, »Du redest wie das blinde Huhn von Anilin. Herr Kriehberg ist nicht Hinz und Kunz.«

»Was ist das für 'n Fremdling?«

»Er ist ein höchst talentbegabter Architekt, dessen Bekanntschaft ich auf dem Ausstellungsgelände machte, als ich mir das Ganze vorläufig darauf ansah, ob es sich zum Ausschlachten für mich eignete. Gerade so wie draußen in Treptow denke ich mir die Schöpfung beim Beginn: noch keine Wege, keine Schutzleute zu fragen, wo's lang geht, kein gedruckter Führer, Alles wüst durcheinander, so zu sagen: erst in der sich gestaltenden Idee.«

»Hübscher Ausdruck, sich gestaltende Idee,« sagte mein Karl mit verdächtiger Anerkennung. »Hast Du den aus Dir selbst?«

»Nein, von Herrn Kriehberg. Der war nämlich so liebenswürdig, als ich mich verlaufen hatte, sich meiner anzunehmen und mir nützliche Winke zu geben, weil man sich mit dem bloßen Augenmaße zurechtfinden mußte und dabei immer in die entgegengesetzten Anlagen gerieth. Er wußte von Allem Bescheid, was er als geaichter Architekt ja auch muß, und später, wenn ich über die Baulichkeiten schreibe, hat er mir versprochen, das Technische von den Stilarten zu liefern.«

»Das kann ja recht heiter werden.«

»Karl, er ist ein hochbedeutender junger Mann. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte die Ausstellung eine ganz andere Physiognomie gewonnen, mehr an das zwanzigste Jahrhundert tippend. Aber sie hörten nicht auf ihn und deshalb hat Manches nicht seine unbedingte Billigung. Es ist ihm schon oft so ergangen. Weißt Du, es giebt Menschen, die ausgezeichnete Pläne entwerfen und hoch erfinderisch sind, bei der Konkurrenz nachher aber haben sie jedesmal die falsche Katze beim Schwanz.«

»Hm. Und was stellt er jetzt vor?«

»Er ist Inspectorist.«

»Was inspectorirt er denn?«

»So beim Kalchlöschen und was sonst beim Bauen verknippert ist. Ohne ihn würde das Meiste falsch ausfallen oder doch sehr aus dem Loth.«

»Auch nicht bitter. Wilhelmine, wenn Du besser nicht schriebest...«

Ich warf meinem Karl einen Blick zu von der Sorte, bei der man auf Nachbestellung verzichtet.

»... ich meine nicht über Architektur.«

»Die gehört wesentlich dazu. Und sieh', Karl, selbst, wenn ich wollte — ich kann nicht mehr zurück. Ich habe schon drei Toiletten für die Ausstellung in die Mache gegeben, die ich Dir nicht zuwälze. Nein, mein Karl, die schreibe ich mir zusammen, namentlich die eine mattstrohgelbe mit geklöppeltem Fichu, traumhaft gediegen, der Hut mit gelblichem Kräuselwerk und weiße Handschuhe mit schwarzen Raupen. Du sollst sehen, es wird verblüffend.«

Er war besiegt, der gute Karl, besiegt durch die unumstößliche Gewalt der Thatsachen, ohne Widerspruch und Ränke, wie so viele Frauen anwenden, um ihren Willen durchzusetzen. Meine Seele war sauber wie ein Dutzend unangebrochener Taschentücher direct aus dem Laden.

Gebäude sind allerdings nicht leicht zu knacken, jedoch mit Kriehberg überwinde ich sie. Er hat allerdings über Vieles ein geradezu vernichtendes Urtheil und merkwürdiger Weise meistens über das, was mir so gut gefällt, wogegen er furchtbar lobt, was meine Anschauung unberührt läßt. Aber ich nehme wie aus zwei Kochrezepten von uns beiden das Beste. Männer allein sind stets einseitig.

Mit Onkel Fritz hatte ich leichten Kampf.

»Schreib, Minchen,« sagte er. — Darauf sollte ich »Nein« antworten, aber ich that ihm den Gefallen nicht. Haben wir Frauen erst mal Prinzipien, sind wir auch nicht wieder herunter zu bringen, und mein Prinzip lautet: Widerspruch giebts nicht mehr. Das heißt nur, wenn er nöthig ist. Dann aber feste!

Nun hat Onkel Fritz es an sich, seine Nebenmenschen mit Spitzfindigkeiten so lange zu triezen, bis er Recht kriegt, immer mit Vergnügtheit, aber mit Absicht. Um dies Spielwerk von vorne herein aus dem Gang zu bringen, sagte ich: »Ihr habt ja ausgestellt, Du und mein Karl, und ich — ich schreibe. Aber was ich von Euren Gegenständen in die Blätter setze, hängt von Eurem Betragen gegen mich ab.«

»Das ist Erpressung,« rief Onkel Fritz.

»Nothwehr!« entgegnete ich. »Du kannst mir dreist Zucker versprechen, ehe meine Entschlüsse wanken. Schlecht machen werde ich Euch nicht...«

»Das könnte Dir eklig in die Blusen regnen,« warf Onkel Fritz ein, jedoch nicht mit gewohnter Sicherheit. Er wurde schon klein.

»Weiß ich,« fuhr ich unbeirrt fort. »Wer sich Geschäftsschädigung zu Schulden kommen läßt, kann mit mehr oder weniger Erfolg in Anklagezustand erhoben werden. Aber was viel schlimmer ist und wogegen keine Abhilfe möglich: ich kann Euch todtschweigen.«

»Hu,« rief Onkel Fritz, aber es war ein ziemlich benautes Hu, ohne jegliche komische Wirkung. Er fühlte, daß die Druckerschwärze mir Gewalt über ihn gab. Kein Zeugnißzwang vermag auch nur eine einzige anerkennende Zeile aus mir herauszupressen oder selbst nur den bloßen Namen. Und das weiß sowohl Fritz wie mein Mann. Und genannt wollen sie sein. Es ist freilich viel Einbildung dabei, denn was nützt das Genanntwerden, wenn das Publikum kurz von Gedächtniß ist, aber ich ließ sie dabei. Es puckerte ordentlich in mir, wie ich so das Herrschergefühl verspürte und Onkel Fritz an der Strippe hatte.

Natürlich werde ich mich nie zu solcher Gewaltthätigkeit entschließen. Eine wie die Maria Stuart'sche Elisabeth unterhaut Todesurtheile in der eigenen Familie; in unserem Jahrhundert grassirt dagegen die Humanität. Nein, ich werde meines Karls Sachen gehörig herausstreichen und ebenso Onkel Fritzens, wenn auch erst gegen Schluß der Ausstellung, damit sie nicht zu früh wieder üppig werden. Drohen kostet nichts. Allerdings hält es auch nicht vor.

Mein Schwiegersohn, der Sanitätsrath, ist Feuer und Flamme für die Ausstellung, soweit er brennbar ist. Er spitzt unbändig auf die elektrischen Verkehrsverbindemittel zwischen Berlin und Treptow, wohin er jedes Jahr einmal mit seinen medicinischen Vereinsbrüdern zum Krebsbundes-Essen reist: auf dem Schiff hin und in einem eigens bestellten Nachtkremser zurück. Sie sind immer in vorwurfsfreiem Zustande wieder in Berlin abgeliefert, weil der Weg so lang ist, daß sie sich ausheitern, bevor sie versuchen, ob die Hausschlüssel passen. Ob die raschere elektrische Beförderung mehr von ihrer Vereinsthätigkeit verrathen wird, bleibt dahingestellt; aber da sie diesmal ihr Krebsgelage auf der Ausstellung feiern wollen, wird hoffentlich mehr Licht in die Sache kommen.

Er ist noch nie elektrisch gefahren und verspricht sich besonderen Genuß davon, worauf ich mir zu bemerken erlaubte: »Wagen ist Wagen, Herr Schwiegersohn.«

»Damit ist nichts gesagt,« erwiderte er.

»O doch. Es ist mit den elektrischen Wagen wie mit den Klößen aus Mahlmühlen-Mehl oder aus Dampfmehl: mehr als glitschen können sie nicht.« — Er lachte beifällig, worüber ich stutzte und die nachfolgende Erläuterung erwartete, die jedoch nicht von ihm ausging, sondern von seiner Gattin.

»Mama,« fing Emmi verlegen an, »Mama, Franz meint, namentlich sei es überaus angenehm, daß wir die elektrische Bahn nahe vor der Thür haben und deshalb öfter hinausfahren können.«

»So ist es recht,« pflichtete ich bei. »Die Ausstellung ist eine Veranstaltung des Gemeinwesens, die man durch persönliches Erscheinen nicht genug unterstützen kann. Wer Bürgersinn hat, lege ihn hier klar; die Gelegenheit ist günstig.«

»Ja, Mama, das ist auch unsere Ueberzeugung. Aber siehste, da Du Berichte schreibst, mußt Du doch die Hände voll Freibillete haben, die Du nicht allein absitzen kannst...«

»Ih, seht einmal,« rief ich. »Aus diesem Perspectiv kuckt ihr? Nein, mein Schatz, was Ihr Euch ausgedacht habt, ist nicht. Erstens giebt es keine Freibillets, denn die Ausstellung ist kein klassisches Theaterunternehmen, und zweitens, mit welcher Nothlage wollt Ihr Eure Bedürftigkeit nachweisen? Nee, Kinder, für Nichts ist Nichts. Die Ausstellung liegt in Treptow und nicht in Nassau.«

Dieser kalte Strahl verschnupfte. Emmi zog einen Flunsch, und bei ihm, wo er sich schon als Persona gratis geschmeichelt hatte, wurde die Heiterkeit so alle, als wäre sie auf einem elektrischen Extrawagen abgeblitzt.

»Mama«, sagte Emmi patzig, »Du hast oft genug gepredigt, Kinder legten Eltern Sparsamkeit auf, damit sie nicht als junge Armuthsraben in das Leben flattern und nun wir für unsere Kleinen nach Deinen Worten thun, willst Du's nicht wahr haben.«

»An Euch sollt Ihr schinden, aber nicht an mir. Außerdem ist die Ausstellung ein Bildungsmittel und wer seine Bildung vernachlässigt, schädigt sich selbst.«

»Vergnügen ist wohl nicht draußen?« fragte er maliziös.

»Gewiß, zur Belohnung für die Bemühungen, die industrielle Entwicklung der Kultur zu erfassen. Bewundert, was Menschenhände geschaffen haben und dann dürft Ihr Euch stärken. Wissenschaft als solche ist trocken. Das sieht man an dem Flüssigkeitsverbrauch der Studenten. Und deshalb ist für Alles gesorgt. Kinder, bloß allein die lebensgroßen Schiffe in voller Natürlichkeit und eins inwendig trinkfähig. Und ein chemischer Palast und ein Gebäude für Erziehung und Unterricht, für Eure Knaben wie geboren. Man weiß nicht, wo anfangen und wo aufhören?«

»Ich denke bei Siechen,« sagte der Rath.

Aus diesem Scherz merkte ich, daß seine Mucksigkeit nur äußerlich war und er es auf etliche Märker nicht ankommen lassen wird. »Schön,« sagte ich, »und damit Ihr seht, daß ich nicht so bin, lade ich Euch sämmtlich zu einer Sitzung in dem Siechen-Ausschank ein mit Anblick der Spree und Blasorchester. Ueberhaupt werden wir gemeinsame Wallfahrten unternehmen, davon verspreche ich mir etwas.«

Ich behielt jedoch bei mir, was ich im Sinn habe. Ich denke mir nämlich, wenn wir ein größerer Anhang zusammen sind, die Krausen mit bei und Andere aus der Bekanntschaft und wir gehen so herum, dann deichsle ich die Fortbewegung unmerklich, daß wir ungeahnt an dem Pavillon des Lokal-Anzeigers vorbeikommen, der sie wegen seiner Vornehmheit anhält. Während sie ihn betrachten, löse ich mich von ihnen ab und gehe die Treppe hinauf. Sie fragen dann: »Herrjeh, Frau Buchholz, wo wollen Sie hin?«

Ich wende mich zu ihnen und sage: »Entschuldigen Sie mich einen Momang, ich habe Geschäftliches: ich bin Presse.«

Ich verweile einen Augenblick auf der Treppe, schneide ihnen eine gnädige Verbeugung zu und verschwinde redactionell.

Das Gesicht von der Krausen will ich sehen, wenn ich so dastehe gewissermaßen als Schwiegermutter der siebenten Großmacht — denn das ist und bleibt die Presse — in meinem Strohgelben oder falls der Wetterbericht es räth, in meinem neuen Marineblauen mit Crême. Sie soll merken, daß man Gewicht hat, trotz ihres naslöcherigen Betragens, weil ihr Mann Studirter ist und sie sich in jeder Gesellschaft das Meiste dünkt. Wenn ich wieder erscheine, thu ich ganz wie gewöhnlich mit Schlichtheit und Selbstverständlichkeit. Und sie hat den Aerger intus. Den hat sie reichlich an mir verdient mit früheren Pikanterien und Ueberhebung, sogar über meinen Mann, der doch ganz anders einzubrocken hat als ihr Mann mit den dicken griechischen Büchern und dem dünnen Gehalt.

So verspreche ich mir viel Interessantes und Erhebendes von der Ausstellung schon jetzt, wo sie aus dem Gröbsten heraus den letzten Schmuck angelegt kriegt. Wie viel tausend Hände sich regen, das muß man sehen, und Alle von dem einen Gedanken beseelt, daß es schön wird.

Solcher Anblick erfreut, wo so viel Zerstören in der Welt ist, so viel Hader und Häßliches. Hier soll es schön werden. Und das wird's auch.

Allein blos die Natur. Der Berliner ist ja schon vergnügt, wenn er einen Baum sieht. Desto grüner er ist, desto besser, daß er ihm gefällt, und nun im Park die massenhaften Anlagen mit Bäumen und Gebüschen, Teichen, Kanälen, Rasenflächen und Beeten, wie wird ihm dies Alles zu Herzen sprechen.

Und in dem Waldartigen die verschlungenen Pfade und die einzelnen Fachgebäude, freundlich und lustig, bunt bemalt und fröhlich geziert, so im Grünen darin, als hätte der Osterhase sie versteckt. Welche Ueberraschung, wenn man immer wieder Neues entdeckt, wenn man beinahe vorbeigetrabt wäre und nach und nach inne wird, wie groß und bedeutend die Ausstellung wirklich ist, und wie riesig mannigfaltig. Man müßte schon vier Beine haben und ein Dutzend Augen.

Bald fängt es an zu blühen, der große Park wird zu einem Garten, zu einem Paradies des Fleißes und der Arbeit. Die Springbrunnen plätschern, die Maschinen wirbeln, Fahnen flattern, Blumen duften, auf dem Gewässer wiegen sich Gondeln, die Wilden lagern in Kairo, Alt-Berlin wird lebendig. Musik erschallt, die Thore öffnen sich und jubelnd ziehen wir ein, wir Alle miteinander aus Nah und Fern.

Und die Vögel sitzen auf den Zweigen und singen dazu.

Mein Karl fing aber noch einmal an: »Wilhelmine, es werden Sachverständige über die Ausstellung schreiben — wo bleibst Du?«

»Darüber beunruhige Dich nicht, viel eher fürchte zu viel Sachkenntniß. Du willst wissen wie und weshalb? Das bleibt vorläufig mein Geheimnis. Ich nenne Dir nur den einen Namen: Ottilie.«

Er sah mich ganz perplex an der gute Karl.

»Du wirst es schon erfahren!«

Sommer-Aussichten.

Das merkwürdigste von allen Organen des Menschen ist sein Gedächtniß. Ich habe bis vor Kurzem keinen rechten Begriff davon gehabt, aber ich stelle mir es vor wie früher Bellachini's Hut — Nichts ist darin und ohne daß man daraus klug wird, kommt die erstaunungswürdigste Füllung zum Vorschein: Laternen, Bälle, Becher und zuletzt ein Wickelkind, das einen Heiterkeitserfolg erntet. Oeffentliche Wickelkinder sind immer von durchschlagender Wirkung.

Ich muß mich an diesen Vergleich halten, um mir zu erklären, wieso mein Karl und ich mit einem Male in dem Kopfe so sehr Vieler auftauchten, die sich erinnern, daß wir sie gebeten haben, uns zu besuchen, wenn der Weg sie nach Berlin führte, und mit unserem Fremdenstübchen vorlieb zu nehmen.

Da sind Verwandte von meinem Karl, die mit ihm blos durch höchst zweifelhafte Urgroßmütter zusammenhängen und es vor Gott und der Welt unverantwortlich finden, intimere Beziehungen so lange vernachlässigt zu haben und ihre Saumseligkeit nur dadurch tilgen können, daß sie während der Ausstellung einige Tage bei uns weilen. Ablehnung meinerseits ist nicht angebracht, denn keine Behandlung schmerzt den Mann mehr, als wenn die Gattin seinen Angehörigen und Freunden das Haus zum Eiskeller macht, und außerdem bin ich durch meine Seitenlinien in gleiche Lage gedrängt. Als damals die Tante in Bützow starb, habe ich mitgeerbt, und Erben legt Verpflichtungen auf. Sollen die Leute sagen: »den Draht schluckt die Buchholz, aber trotzdem sind die Familienbande zerrissen.« — Nein!

Und dann die Geschäftsfreunde, theils mit, theils ohne Hälften, die sich bei unserer Silberhochzeit förmlich fürstlich angestrengt haben — die eine Servante ist geradezu ein Schützentempel werthvollster Metallgaben — und Jeder, der sich darin verewigte, ist zum Ehrenmitgliede unseres Hauses ernannt, und die Ruppigkeit, die einmal zuerkannte Ehre hinterher zu verweigern, haben wir nicht, selbst, wenn sich Einiges auch blos als plattirt herausstellt. Beim Putzen schimmert der Verdacht an den Kanten manchmal durch.

Bei jedem neuen Briefe mit dem Wunsche des Wiedersehens und der jetzt erst möglichen Annahme der überaus liebenswürdigen Einladung vom so und sovielten, Anno so und so, sagen wir »Sehr schätzbar, aber wo unterbringen«? Denn das Fremdenzimmer habe ich ursprünglich für Ottilie bestimmt, die mit mir die Ausstellung studiren wird und ihr ungeheures Wissen hineinträufelt, wo ich eine Zuthat nothwendig erachte.

Sie ist die Tochter einer Halbcousine von mir und geprüfte Lehrerin, womit sie sich ziemlich sorgenfrei ernährt, soweit das Leibliche in Betracht kommt. Mit dem Geistigen und den Nerven aber hat sie ihre Molesten. Wer versteht sie in dem Nest? Vielleicht Einige, aber mit denen geht sie unglücklicher Weise nicht um. Seit Jahren hat sie unbändige Gelehrtheit in sich aufgespeichert, von der sie nicht erleichtert wird, da sie nur in den Anfangsgründen unterrichtet, weshalb die Nerven unter fortwährendem, wissenschaftlichem Druck leiden. Sie schrieb mir, Berlin wäre der einzige Ort, mit seinen Kapazitäten ihren Nerven aufzuhelfen, sie ginge zu Grunde in der geistigen Einsamkeit und so kam ich auf den Gedanken, sie als Ausstellungsvertraute heranzuziehen.

Mein Karl sagte: »Es ist mir lieb, Dich draußen nicht allein zu wissen, denn ich kann Dich nicht so oft begleiten, als Du wegen Deiner Berichte Dich abstrappeziren mußt. — Aber wenn Ottilie das Fremdenzimmer bezieht, wo bleiben wir mit den anderen Gästen?«

»Karl,« sagte ich, »Ottilie schläft bei mir.«

»Und ich?« unterbrach er mich.

»Du wirst in der Fabrik eingerichtet.«

»Danke!« — —

»Danke nicht eher, als bis Du siehst, wie gemächlich Du es dort haben wirst. Fabrik und Haus sind durch den Zwischengang ein und dasselbe. Wollen wir die Kundschaft vor den Kopf stoßen? Herr Ungermann hat sich angemeldet, einer Deiner besten Abnehmer — er widmete die große silberne Fruchtschale — durch und durch echt — und seine Frau kommt mit. Und alle die Anderen! Wir müssen noch die gute Stube als Logirzimmer hergeben. Wenn das Mädchen auf dem Boden bivuakirt, läßt sich ein einzelnes Wesen in ihrer Kammer beherbergen, wie zum Beispiel Tante Lina. Kleinstädter sind anspruchslos.«

»Das kann ja reizend werden.«

»Karl, es muß sein.«

»Aber bedenke die Menge!«

»Es gehen viele Sardinen in eine Dose, wenn das Oel nur gut ist, ich meine nämlich die Behandlung. Die Hôtels sind bis unter das Dach übervölkert, also muß die Privatmildthätigkeit eingreifen. Freilich die Krausen vermiethet für Geld, ich glaube, sie nächtigt mit ihrem Mann in seinem Schreibsecretair oder sonst, wo es unpassend ist, blos um Beute zu machen. Kein Laster dünkt mich empörender, als diese Art von Wucher, wo er doch die Jünglingsjahre ihr geopfert hat und in seinen alten Tagen Bequemlichkeit beanspruchen darf.«

»Mit mir wird auch nicht viel anders umgegangen.«

»Nicht, daß ich wüßte.«

»Kommandirst Du mich nicht aus meiner gewohnten Behaglichkeit in die Fabrik?«

Ich lächelte. »Karl, wie kannst Du Dich mit Krause in eine Kompanie reihen? Der Versuch allein schon ist verwerflich. Was wir thun, geschieht aus Humanität für unsere Kunden, und nicht aus Mammonsgier. Und das werden sie bei den Herbstbestellungen beherzigen und nicht drücken, bis kaum noch das Maschinenfett verdient wird. Du sollst sehen, wie die Ausstellung die Industrie hebt.«

Mein Karl legte ein Fremdenbesuchs-Conto an, worin jeder Angemeldete seinen Termin bekam, um Platzzwistigkeiten vorzubeugen. Dies war vom theoretischen Standpunkte so glänzend einfach, daß wir hoffnungsfreudig in die Zukunft blickten, aber vom praktischen wollten sie so ziemlich sämmtlich Ende Mai eintreffen. Für die folgenden Monate hatten sie Badeaufenthalt oder sonstige hygienische Abstecher vor.

Nun ging es an ein Umlegen und Aendern und Hin-und Herschreiben, wobei Einige sogar mit Bemerkungen antworteten, als fühlten sie sich in die Ecke gesetzt. Einer schrieb, er hätte geplant, das Geschäftliche mit dem Ausstellungsaufenthalt zu verbinden, schwerlich sei ihm dies im August möglich. Er ließ mit vieler Noth bis Mitte Juli herunter, aber dadurch klemmte es sich mit meines Mannes Verwandten, dem Amtsrichter. Und Gerichtspersonen sind leicht verletzt.

Mein Karl sah dies ein, aber er hatte die Hände mit seinem Aufbau in der Ausstellung voll — geradezu überwältigend mit einem Reichsadler aus schwarzen Socken nach dem Grundriß eines akademisch vorgebildeten Künstlers — und schob mir den Besuchsschlachtenplan zu. Ich saß und bebrütete ihn mit

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